14. Juni 2018
Geschlechtsidentitäten an Hochschulen- Klofrage und 3. Geschlecht
Geschlechtsidentitäten an Hochschulen
Wien (APA) - Mit einer Tagung zu "Sexualität(en) und Geschlechtsidentität(en) im österreichischen Hochschulraum" ist die im Ausland stark diskutierte Frage zu einem dritten Geschlecht bzw. dem Umgang mit nicht-binären Geschlechtsidentitäten auch in Österreich angekommen. Sowohl Studenten- als auch Hochschulvertreter sahen dabei Handlungsbedarf.
Utl.: Tagung in Wien – Warten auf erste Inskription einer Person mit drittem Geschlecht =
„Massiven Verbesserungsbedarf“ ortet die Vizerektorin der Akademie der bildenden Künste, Andrea Braidt, gegenüber der APA im baulichen Bereich sowie der IT-Verwaltung. An ihrer Universität wurde Anfang 2017 mit dem Projekt „Non-binary Universities“ begonnen, potenzielle Diskriminierungspunkte zu identifizieren und dafür mit HochschülerInnenschaft, Betriebsrat, Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, einem wissenschaftlichen Beirat sowie Interessengruppen Lösungen zu erarbeiten. Als eines der beiden dringlichsten Probleme wurde dabei die Benutzung der Toiletten genannt: „Die Benutzung von WC-Anlagen stellt für Personen, die sich nicht in einem binären Geschlechtermodell wiederfinden bzw. nicht wiederfinden wollen, nicht nur eine Schwierigkeit dar, sondern ist auch eine Bedrohung und ein Ort der sexualisierten Gewalt. Sie bekommen Vorwürfe zu hören, dass sie auf der falschen Toilette sind oder werden sogar hinausgeschmissen“, so Braidt.
Als Lösungsmöglichkeit habe man Empfehlungen für die Umgestaltung erarbeitet. Optimale Variante sei die Einrichtung von geschlechtsneutralen Einzelkabinen mit Sitzklos und Waschgelegenheit. Eine zweite Möglichkeit wäre das grundsätzliche Festhalten an binären Toiletten, die aber nach Selbstdefinition nutzbar sind. „Die Einrichtung ist dann zum Beispiel zwar als Frauentoilette ausgeschildert, aber mit den Hinweis, dass diese von allen benutzt werden kann, die sich als Frauen verstehen bzw. von intersexuellen Personen, die gerne eine Frauentoilette benützen würden.“
Viel diffiziler zu regeln sei die Geschlechterzuordnung in der universitären Datenverarbeitung. Derzeit müssten die Universitäten laut Studienevidenzverordnung in der Statistik das Geschlecht („männlich ODER weiblich“) von neuinskribierten Personen verzeichnen. „Erst dann sind sie rechtlich inskribiert“, so Braidt. Damit gebe es aber mehrere Problemlagen: In einigen Staaten sei bereits neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht vorgesehen – zuletzt wurden diese Themen nach einem Urteil des deutschen Verfassungsgerichts aktuell, auch in Österreich prüft der Verfassungsgerichtshof (VfGH) derzeit, ob es ein Recht auf ein drittes Geschlecht geben müsste.
„Derzeit könnten wir aber eine Person mit drittem Geschlecht nicht inskribieren“, so Braidt. Dafür müsse erst die Studienevidenzverordnung geändert werden. Selbst wenn der VfGH kein Recht auf ein drittes Geschlecht anerkennen würde, würden die Unis über kurz oder lang mit einem Antrag einer ausländischen Person konfrontiert sein. Das sieht auch Alex Mähr vom Queer-Referat der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) so. Die Konsequenz sei aber eine andere: Sobald sich eine betroffene Person aus einem EU-Land – etwa Malta – mit eingetragenem dritten Geschlecht inskribieren wolle, müsse die Zulassungsstelle dies anerkennen. „So einen Fall gab es noch nicht. Wir hoffen aber, dass er sich bald ergibt.“
Weiteres Problem für die Unis: „Was tun wir, wenn das gelebte Geschlecht nicht dem eingetragenen entspricht, etwa weil sich die Person als Transgender definiert?“ Derzeit gebe es dazu mehrere Rechtsauffassungen, so Braidt. Die eine sei, dass die Unis jene Geschlechtsbezeichnung verwenden müssten, die in Geburtsurkunde bzw. Pass steht. Die andere besage, dass diese Eintragungen nur deklarativen und nicht konstitutiven Charakter hätten. Dementsprechend hätte die Studienabteilung jeweils bei der Inskription zu fragen, ob die Person als männlich oder weiblich aufgenommen werden will. Die Arbeitsgruppe habe deshalb vorgeschlagen, dass die Unis eine Art doppelte Buchführung einführen und zumindest in der internen Datenerfassung – also etwa für Lehrveranstaltungslisten – Studierende geschlechtsneutral verarbeiten sollen – „analog zu einem Künstlernamen“.
Nicht alle Zulassungsstellen an den Unis wüssten außerdem, was bei bereits erfolgten Änderungen im Personenstand zu tun sei. „Man weiß nicht genug Bescheid über die rechtliche Situation“, schilderte Mähr. „Da kann es schon vorkommen, dass quer durch die Zulassungsstelle gerufen wird: ‚Da ist eine Transperson. Kann ich im Studentenausweis den alten Namen durchstreichen und den neuen darunter schreiben?'“
Allzu viele Anliegen aus dem Bereich Mobbing, sexuelle Belästigung und Transgender werden allerdings nicht an die Ombudsstelle für Studierende im Bildungsministerium herangetragen. „Das kommt im Promille-Bereich vor“, so Hochschulombudsmann Josef Leidenfrost zur APA. Das liege auch daran, dass die Universitäten mit den dort verankerten Arbeitskreisen für Gleichbehandlungsfragen gut aufgestellt seien. An den Fachhochschulen und Privatunis gebe es diese allerdings nur vereinzelt – hier sollte in den nächsten Jahren daher ebenfalls nachgezogen werden. Bei Verfahren wegen sexueller Belästigung wünscht sich Leidenfrost außerdem eine Verkürzung – gerade auch im Dienstrecht. Derzeit müssten die Klägerinnen und Kläger oft sehr lange auf eine Entscheidung warten.
(Schluss) aku/cm/jul
APA0104 2018-06-04/09:56
040956 Jun 18